Der Bremer Landesverband stellt sich vor – wir möchten heute eine Reihe von Interviews starten, durch die wir Ihnen die Möglichkeit geben, den Landesverband Bremen des WEISSEN RINGS e.V. besser kennenzulernen.
Wir starten mit der Kernaufgabe des WEISSEN RINGS e.V., der Opferarbeit. Dazu möchten wir Ihnen stellvertretend für die drei Außenstellen im Landesverband die Außenstelle II vorstellen. Wir haben mit Berend Mattfeldt, Leiter der Außenstelle II, gesprochen.
Mein Name ist Berendt Mattfeldt, ich bin 68 Jahre alt und bin seit 2012 beim WEISSEN RING (WR), von Beruf bin ich Maschinenbauingenieur. Nachdem ich in die passive Altersteilzeit gegangen bin, habe ich ein Ehrenamt gesucht und bin dann in den WR eingetreten, 2014 bin ich Leiter der Außenstelle II geworden.
Es gibt 18 Landesbüros des WR in Deutschland, davon ist ein Landesbüro in Bremen, in der Sögestraße. Im Landesverband Bremen gibt es drei Außenstellen: Bremerhaven, Bremen I und Bremen II. Bremen I ist für die Mitte, den Süden und Osten zuständig und Bremen II für den Norden und Westen. Bremen Nord und Bremen West sind erst vor zwei Jahren zusammengelegt worden. Unsere Außenstelle hat 13 Mitarbeiter*innen.
Opferhilfe läuft bei uns so ab, dass ich einen Anruf von einem Opfer bekomme, von der Polizei, vom Frauenhaus oder auch vom Landesbüro. In einem Telefonat schildert das Opfer dann, was ihm widerfahren ist. Dass es gerade überfallen oder bestohlen wurde oder dass Erlebnisse von früher aus der Kindheit wie sexuelle Gewalt jetzt wieder hochkommen. Oft melden sich Opfer erst Jahre später, weil sie es vorher noch nicht geschafft haben, das anzugehen. Das Gespräch mit dem Opfer sollte nicht zu tief ins Detail zu gehen, um die Opfer auch nicht stärker zu belasten. Etwa 20 Prozent derjenigen, die sich an unsere Außenstelle wenden, brauchen auch einfach nur jemanden, der ihnen zuhört. Dann geht es ihnen häufig schon besser. Wenn sich herausstellt, dass über das Zuhören hinaus weitere Hilfen notwendig sind, leistet der WR diese auf vielfältige Art und Weise. In diesen Fällen bitte ich in der Regel ein*e Mitarbeiter*in, sich mit dem Opfer in Verbindung zu setzen und einen Termin für ein persönliches Gespräch zu vereinbaren. Jetzt während der Pandemie ist es den Mitarbeiter*innen freigestellt, ob sie sich mit den Opfern treffen, häufig können wir auch telefonisch helfen.
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn das Opfer zum Beispiel eine/n Anwalt*in benötigt, dann können wir einen Beratungsscheck ausstellen und das Opfer kann sich daraufhin beraten lassen. Des Weiteren können wir Soforthilfen z.B. Bargeld auszahlen, wenn jemand zum Beispiel bestohlen wurde, sind oft Papiere neu zu beantragen oder ein kaputtes Türschloss oder eine Fensterscheibe zu ersetzen, da kann der WR schnell helfen. Häufig weisen wir auch auf andere Hilfsangebote wie den sozial-psychiatrischen Dienst hin. Beim sozial-psychiatrischen Dienst können Opfer sehr kurzfristig Termine für psychologische Beratung bekommen. Oft reichen schon drei oder vier Gesprächstermine.
In vielen Fällen können wir dem Opfer schon mit einem Gespräch helfen, indem wir zuhören und da sind. Da wir diskret und vertraulich arbeiten, erzählen die Opfer uns oft mehr als sie dem Partner oder einer Freundin erzählen würden.
Der*die Mitarbeiter*in hat die Aufgabe, dem Opfer beim Ausfüllen unserer Formulare zu unterstützen, Stellungnahme und Betreuungsdokumentation zum Fall zu schreiben und zu dokumentieren, wie viel Zeitaufwand er oder sie hatte. Der Außenstellenleiter bekommt die Unterlagen, sichtet sie und schickt sie dann an die Bundesgeschäftsstelle des WR in Mainz. Weitere Aufgaben des Außenstellenleiters sind, dafür zu sorgen, dass er einmal im Monat ein Treffen zum Austausch mit den Mitarbeiter*innen durchführt, auch um den Mitarbeiter*innen die Möglichkeit zu geben, zu berichten, wie es ihnen selbst bei der Betreuung ergangen ist und ob sie selbst durch die Betreuung belastet werden. Zu den Aufgaben des Außenstellenleiters gehört außerdem, zu den Außenstellenleitersitzungen zu gehen und darauf zu achten, dass die Mitarbeiter*innen an Aus- und Weiterbildungsseminaren der WR Akademie teilnehmen. Auch die Pflege der Kontakte zur Polizei und anderen Hilfsorganisationen ist sehr wichtig. Der Kontakt zu den angrenzenden Außenstellen des WR in Niedersachsen gehört auch zu den Aufgaben.
Ich war ja lange berufstätig und bin dabei 36 Jahre viel unterwegs gewesen, ich habe eigentlich nie gemerkt, was in der sozialen Welt los ist. Ich habe zwar Zeitung gelesen und Fernsehen geschaut, aber ich bin auf dem Lande groß geworden und habe wenig mitbekommen, was eigentlich in der Stadt los ist. Ich bin morgens zur Arbeit gefahren und abends nach Hause gekommen und wenn ich zuhause angekommen bin, war dort eigentlich immer heile Welt, Familie und Kinder.
Als ich wusste, ich höre in drei Jahren auf zu arbeiten, habe ich überlegt, wie kannst du dich engagieren, ich hab immer gedacht, ich fahre auf eine einsame Insel zum Vögel zählen. Dieser Wunsch hat aber auch dazu geführt, dass ich seit einigen Jahren jedes Jahr nach Helgoland fahre, um die Kegelrobben zu betreuen und dort ehrenamtlich die Arbeit unterstütze.
Als ich dann einmal im Rathaus bei der Freiwilligenbörse war, bin ich auf den WEISSEN RING gestoßen und dann bin ich erst dahintergekommen, was es eigentlich bedeutet, etwas ehrenamtlich zu machen.
Ehrenamt ist unglaublich wichtig für die Gesellschaft, unglaublich wichtig für Deutschland, weil der Staat gar nicht leisten kann, was die Ehrenamtlichen machen. Ein Ehrenamtliche*r – und das ist derzeit ein großes Problem, ehrenamtliche Menschen zu finden – ist normalerweise motiviert, etwas zu machen, weil er es freiwillig macht, er muss das nicht für Geld machen, er macht das, weil es ihm Spaß macht, er macht es, weil er anderen Leuten helfen will.
Dieses Interview wurde von Nicola Peters (Mitarbeiterin der Junge Gruppe und Ansprechpartnerin für Öffentlichkeitsarbeit) geführt.